1 Jahr Radentscheid-Vertrag - eine erste Bilanz
Vor einem Jahr, am 22.07.2021, hat das Aktionsbündnis „Fahrradstadt Jetzt“ einen Vertrag mit der Stadt Augsburg geschlossen. Darin wurden die Ziele des Radentscheid Augsburg übernommen und zusätzlich mehr als 30 Einzelmaßnahmen vereinbart. Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen.
Grün: Umgesetzt; blau: beschlossen/in Umsetzung; rot: noch offen
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Einzelprojekte
Die meisten Einzelprojekte, die für 2021 vereinbart waren, wurden inzwischen tatsächlich in Angriff genommen. Dazu gehört die Einrichtung von Tempo 30 in Schertlinstraße, Holzbachstraße sowie jetzt durchgängig Tempo 30 von der Pferseer Unterführung bis zur Luitpoldbrücke.
Fahrradabstellmöglichkeiten
Freuen konnten wir uns auch über zahlreiche neue Fahrradbügel. Besonders hervorzuheben sind die 20 Stellplätze am Fischmarkt neben dem Rathaus sowie, ganz neu, 120 Fahrradstellplätze am Zoo –davon 20 Plätze speziell für Lastenräder und Räder mit Anhänger.
Nicht ohne Mängel: Mängelmelder
Seit einigen Wochen ist zudem der Mängelmelder online. Seitdem haben Radler*innen bereits hunderte Mängel dokumentiert. Die Kommunikation zum Bearbeitungsstand ist leider meist frustrierend. Die Meldungen werden schnell auf "grün" gesetzt, obwohl die Meldung nur weitergeleitet, aber der Mangel längst noch nicht behoben wurde. Wir hoffen, dass die Kommunikation hier zukünftig besser wird. Vor allem aber, dass gemeldete Mängel wirklich beseitigt werden.
Stillstand bei der Stellplatzsatzung nur durch Klagedrohung überwunden
Nichtsdestotrotz gibt es auch einen zentralen Punkt, bei dem die Stadt der Vereinbarung hinterherhinkt: Und zwar bei der Verabschiedung einer neuen Stellplatzsatzung, die sicherstellen soll, dass bei Neubauten zukünftig ausreichend Fahrradstellplätze bereitgestellt werden und, im Gegenzug, die Zahl der PKW Stellplätze reduziert wird. Denn nur durch die Schaffung passender Angebote kann die Mobilitätswende erreicht werden. Zwar gab es im Dezember 2021 einen Entwurf für eine neue Stellplatzsatzung. Diese entsprach jedoch nicht dem Radentscheidvertrag. Nach unserem Protest wurde die Abstimmung im Stadtrat verschoben. Anfang Juli waren wir mit unserer Geduld am Ende und haben unsere Anwältin beauftragt, eine Klage vorzubereiten. Wenige Tage später berichtete die Augsburger Allgemeine darüber – und seit dem geht alles ganz schnell: eine für das Aktionsbündnis annehmbare Beschlussvorlage liegt bereits vor, und über diese wird der Stadtrat voraussichtlich auch abstimmen.
Beschluss: ja – Realisierung: ausstehend
Manche Projekte wurden bereits beschlossen, die Umsetzung erfolgt aber erst, wenn die entsprechenden Förderanträge bewilligt wurden:
- Für die Stettenstraße wurde Tempo 30 sowie die Einrichtung eines Schutzstreifens beschlossen.
- An der Einmündung Klinkertorstraße/Klinkertorplatz soll eine Aufstellfläche für den Radverkehr entstehen.
- Für die Schießstättenstraße, also von der Wertach hoch zur Rosenaustraße, wurde im Vertrag die Einrichtung einer Fahrradstraße beschlossen. Diese wird nun kommen, jedoch sollen kaum Parkplätze wegfallen. Ohne bessere Sichtverhältnisse durch Streichung der Parkplätze auf einer Seiten befürchten wir jedoch, dass sich bei dieser engen, gewundenen, dunklen Straße keine wirkliche Verbesserung für Radfahrer*innen einstellen wird.
- Für die Sanierung des Oberen/Mittleren Grabens liegt eine Planung vor, über die der Stadtrat noch im Juli entscheiden soll. Trotz einer umfänglichen Sanierung des Straßenzugs für über 2M€, wird aber wieder einmal zuerst der Platz für den KFZ Verkehr verteilt und der Radverkehr bekommt, was übrig ist. Geplant ist aktuell: ein plötzlich endender Schutzstreifen, eine neue Konfliktstelle mit dem Fußverkehr sowie Kreuzungen, die nicht verhindern, dass KFZ Verkehr schnell abbiegt und die Radwege schneidet.
Versunken im Augsburger Mobilitätsplan?
Verschiedene größere Planungsmaßnahmen für den Radverkehr will das Baureferat "im Rahmen des Augsburger Mobilitätsplans“ bearbeiten. Das betrifft die Radrouten
- Auf dem Straßenzug Grottenau bis Jakoberstraße sowie
- Auf dem Kreuz / Klinkertorstraße
Wir hoffen, dass diese Projekte dort nicht untergehen und werden die Planungen kritisch verfolgen.
Das große Ganze im Blick behalten
Die vielen Einzelmaßnahmen sind nur allererste Schritte zur Umsetzung des Vertrags und dürfen nicht verdecken, dass die Inhalte des Radentscheids natürlich in der ganzen Stadt umgesetzt werden müssen. Noch gibt es in Augsburg viele Lücken im Radnetz: Straßenabschnitte mit Tempo 50, ganz ohne jede Radinfrastruktur. Beispiele sind die Ulmer Straße, die Prinzregentenstraße oder die Hirblinger Straße. Und auch die vertraglich vereinbarten Stellen für Radabstellanlagen haben lediglich exemplarischen Charakter. Damit Augsburg wirklich Fahrradstadt wird, ist noch viel mehr zu tun.
Wir lassen nicht locker: der bayerische Radentscheid kommt
Natürlich gibt es in Bayern viele Kommunen, wo es klemmt und knarzt beim Thema Radinfrastruktur. Da es flächendeckend mehr Versprechen als Taten gibt, hat im Juni ein breites Bündnis aus Verbänden und Parteien den "Radentscheid Bayern" gestartet. Im ersten Schritt werden 25.000 Unterschriften zur Zulassung des Volksbegehrens benötigt. Hier gibt es alle Infos dazu: https://radentscheid-bayern.de